Kleine Atomkraftwerke, große Ambitionen: Die Hoffnung auf CO2-Neutralität mit Mini-Reaktoren

Auf dem Weg zur CO2-Neutralität setzen einige Staaten, Unternehmen – und Bill Gates – auf Atomkraft. Genauer: auf Minireaktoren. Diese werden als “Small Modular Reactors” (SMR) bezeichnet und sollen gegenüber klassischen, großen Atomkraftwerken viele Vorteile haben. Aber stimmt das? Wie realistisch sind diese Pläne?

Zu den Staaten, die ernsthafte Absichten angekündigt haben, Minireaktoren aufbauen zu wollen, zählt Polen. Dort wurde bereits Ende 2022 beschlossen, mehrere große Atomkraftwerke zu errichten. Zusätzlich zum Bau dieser “klassischen” Großreaktoren plant der polnische Bergbaukonzern KGHM, mehrere Minireaktoren zwecks Eigenerzeugung zu errichten und hat von der polnischen Regierung dafür bereits grundsätzlich “grünes Licht” erhalten. Schon 2029 soll ein erster Reaktor mit einer Leistung von 77 Megawatt, was etwa 6% der Leistung eines klassischen Atomkraftwerks entspricht, ans Netz gehen.

Auch der amerikanische Chemiekonzern Dow plant, seine Energieversorgung mit Hilfe von Kleinreaktoren zu dekarbonisieren. In Texas soll ein Standort durch vier dieser Kraftwerke Strom und Wärme für Produktionsprozesse CO2-neutral erzeugen. Die Pläne werden von der amerikanischen Regierung wohlwollend befürwortet.

Zu den erhofften Vorteilen von SMR-Konzepten zählen eine kurze Bauzeit und geringe Kosten durch standardisierte Bauteile und Konzepte, eine Dezentralisierung der Versorgung und damit eine Entlastung der Stromnetze sowie eine Verringerung von Risiken, weil weniger radioaktives Material pro Reaktor verwendet wird. Ob sich diese Vorteile realisieren lassen ist unklar, denn bisher wurde noch kein kommerzielles SMR-Konzept praktisch umgesetzt. Speziell die avisierten Kostenvorteile durch Skaleneffekte und Standardisierung lassen sich wohl nur erreichen, wenn hunderte oder tausende baugleiche Einheiten quasi am Fließband entstehen. Technisch steht der Realisierung von Minireaktoren natürlich nichts im Wege, diese werden im militärischen Bereich, beispielsweise auf Atom-U-Booten oder Flugzeugträgern, bereits seit Jahrzehnten eingesetzt.

Gegner der Technologie wenden ein, dass eine hohe Zahl dieser Reaktoren erforderlich ist, um gesamtgesellschaftlich relevante Erzeugungsleistungen zu erreichen. Ob das für sich genommen bereits ein Argument ist, sei dahingestellt. Auch um relevante Größenordnungen im Bereich der Windkraft zu erreichen, müssen tausende und abertausende Windräder gebaut werden.

Richtig ist aber, dass die Existenz von tausenden SMR bedeuten würde, dass an tausenden Orten mit radioaktivem Material sicher umgegangen werden muss. Die Überwachung von wenigen Dutzend Großkraftwerken, die von Konzernen mit viel Expertise betrieben werden, ist deutlich einfacher.

Darüber hinaus lösen auch Minireaktoren nicht die Grundprobleme der Atomkraft, insbesondere endliche Uran-Ressourcen, hohes Schadenspotential bei Unfällen sowie die #Endlagerproblematik. Ob Minireaktoren eine Zukunft haben werden, ist daher ungewiss.

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