Ist die Energiewende eigentlich ganz einfach?

Ist die Energiewende eigentlich ganz einfach? Wenn man einigen Akteuren zuhört klingt es manchmal wie beim stets zu Improvisation neigenden „Meister Röhrich“ aus dem Kultfilm „Werner – Beinhart!“: „Da stellst du hier noch ein Windrad hin und da noch eine Photovoltaik-Anlage, tüdelst das noch schnell mit einem Stromnetz zusammen und dann ist das gut!“ Für diese Dauer-Optimisten ist die Energiewende technisch gar kein Problem und wirtschaftliche Risiken bestehen auch nicht. Eher wird von einem „Wirtschaftswunder durch die grüne Transformation“ gefaselt.

Es gibt natürlich auch das andere Extrem: für die ist das Loslösen von fossilen Energieträgern wahlweise unmöglich oder unnötig, weil der Klimawandel entweder nicht real oder nicht so schlimm ist. Oder real und schlimm, aber nicht zu ändern. Zurecht wird beklagt, dass so eine Einstellung niemandem weiterhilft. Der Klimawandel ist real und damit keine Glaubensfrage. Wir müssen ihn aufhalten und sind im Grunde „zum Erfolg verdammt“.

Gerade die Fraktion der gnadenlosen Optimisten gefährdet aber die Akzeptanz der Energiewende.

Die Aufgabe ist nämlich gigantisch: wir müssen einen Anlagenpark aus vergleichsweise wenigen, steuerbaren und wetterunabhängigen Großkraftwerken durch abertausende Wind- und Photovoltaikanlagen ersetzen, die im Vergleich zu den Kraftwerken klein bis winzig in ihrer Erzeugungskapazität sind, über das ganze Land bis in die Nordsee verstreut aufgebaut und überwiegend an die – darauf nicht ausgelegten – Verteilnetze angeschlossen werden und zu allem Überfluss auch noch wetterabhängig sind. Selbst wenn das gelingt muss noch viel Energie eingespart werden – und Speicher brauchen wir auch noch…

Darüber hinaus müssen wir bisher molekülgebundene Anwendungen wie Gasheizungen in großem Maßstab elektrifizieren und für die industriellen Anwendungen, die sich nicht elektrifizieren lassen, eine Wasserstofferzeugungs- und Verteilinfrastruktur aufbauen. Ganz zu schweigen vom erforderlichen Ausbau der Stromnetze.

Dann müssen wir noch lernen, die Verbrauchskurve zu flexibilisieren, denn das Angebot wird mit zunehmendem Anteil Erneuerbarer starr. Das kann durch Speicherung (wie Großbatterien oder Elektrolyseure), die bei Überangebot Energie aufnehmen und bei Bedarf abgeben, oder durch Verhaltensänderungen bei Haushalten und Industrie erreicht werden, zum Beispiel durch dynamische Stromtarife in Verbindung mit intelligenten Zählern.

Doch wie wir bereits jetzt sehen, ist das alles keineswegs einfach: Die Energiepreise sind immer noch auf Rekordhöhe und es besteht die Sorge vor einer schleichenden Deindustrialisierung Deutschlands. Es wird ernsthaft über staatlich subventionierte Industriestrompreise diskutiert, während Ökonomen darauf hinweisen, dass die energieintensive Industrie sowieso abwandern wird und Deutschland sich auf andere Stärken konzentrieren sollte.

Projekte wie die Einführung von intelligenten Zählern stocken seit langem, weil man sich das Leben mit völlig unrealistischen Vorgaben unnötig schwierig gemacht hat und die bessere Steuerung Erneuerbarer Erzeugungsanlagen durch Netzbetreiber („Redispatch 2.0“) ist in ihrem Kernelement, dem bilanziellen Ausgleich von Ausfallarbeit, vor kurzem krachend gescheitert.

Niemand hat eine Energiewende bisher erfolgreich umgesetzt: kein einziges Land auf der Erde ist heute klimaneutral. Es gibt keine Blaupausen, keine Vorbilder, keine Erfahrungswerte, keine „Best Practice“. Und es steht viel auf dem Spiel: wenn wir es nicht schaffen wird entweder der Klimawandel die Erde verwüsten oder wir verlieren unsere wirtschaftliche Lebensgrundlage und fallen in das vorindustrielle Zeitalter zurück.

Sollten wir deshalb Angst haben? Nein, sicher nicht. Eine verzagte Rückwärtsgewandtheit wird uns nicht helfen, wir müssen die Aufgabe mutig angehen. Aber Demut und Respekt vor dieser großen Herausforderung sind mehr als angebracht, eine blauäugige „Passt schon“-Mentalität oder ein großmütiges „Folgt mir, ich weiß schon wie das geht“ werden der Sache nicht gerecht. Bei jedem Schritt müssen wir skeptisch hinterfragen, ob er bereits ausreicht oder ob wir nicht weiter springen müssen. Wir werden um Lösungen ringen und dabei Kompromisse eingehen müssen. Manchmal kann man den Kuchen nicht essen und behalten.

Ob die Energiewende tatsächlich zu Wohlstandszuwächsen führen wird, ist derzeit unklar. Strom aus einem Windrad unterscheidet sich an der Steckdose nicht vom Strom aus einem Kohlekraftwerk. Der Austausch einer Anlage durch eine andere ist volkswirtschaftlich gesehen kein Wachstum, genauso wenig wie die Finanzierung einer Investition durch Konsumverzicht. Ein gesetzlich verankerter Zwang zu mehr Energieeffizienz ließe sich auch mit anderen Worten beschreiben: Rationierungsmaßnahmen wegen Energiemangel. Natürlich ist das alternativlos, aber eine Zwangsmaßnahme ist eben keine Wohltat.

Werden wir das alles schaffen? Ja, das werden wir – weil wir es müssen. Aber die Energiewende wird uns allen noch viele Zumutungen abverlangen und viel Geld kosten. Das muss von den Verantwortlichen ehrlich benannt werden, denn sonst spielen wir „des Kaisers neue Kleider“. Und niemand wird gern verschaukelt…

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