Kann man einen Netzbetreiber führen wie einen Hedge-Fonds?

Kann man einen Netzbetreiber führen wie einen Hedge-Fonds? Man kann! Ob man sollte, ist eine andere Frage…

Hedge-Fonds nutzen den sogenannten “Leverage-Effekt”, also eine Hebelwirkung, um eine überproportionale Eigenkapitalrendite zu erzielen. Diese Hebelwirkung entsteht, wenn eine Investition teilweise fremdfinanziert wird und der Zinssatz niedriger als die Projektrendite liegt.

Mit einem Projekt, das 1.000 Euro kostet und eine jährliche Rendite von 5% verspricht, kann man 50 Euro pro Jahr verdienen. Wenn man es vollständig mit eigenen Mitteln finanziert, ist die Projektrendite gleichzeitig die Eigenkapitalverzinsung: man verdient mit seinem Kapital jährlich 5%.

Wenn man aber die Finanzierung mit einem Darlehen von 900 Euro (Zinssatz: 2%) unterlegt und nur 100 Euro eigene Mittel einbringt verändert sich die Rendite. Man muss zwar 18 Euro Zinsen zahlen und der Jahresgewinn beträgt nur noch 32 Euro. Die Eigenkapital-Verzinsung beträgt aber 32%, denn man musste nur noch 100 Euro investieren, statt 1.000 Euro. Mit dem Darlehen kann man also die Rendite der Investition “hebeln” – zu Lasten des Risikos natürlich.

Das wird von Hedge-Fonds-Managern in Kauf genommen, denn auf diese Weise können die hypothetischen 1.000 Euro Investitionssumme auf 10 Projekte verteilt werden. Die höheren Renditen lassen den Ausfall von einem oder zwei Projekten verkraftbar erscheinen…

Für Strom- und Gasnetzbetreiber ist in Deutschland die Rendite durch die Bundesnetzagentur vorgegeben: aktuell dürfen rund 5% Verzinsung auf das Eigenkapital eingepreist werden. Dabei wird “rückwärts” gerechnet. Normalerweise steht die Eigenkapitalverzinsung nach Geschäftsjahresende fest: erst wenn ich mein Jahresergebnis kenne, kann ich die Verzinsung berechnen. Durch die Anreizregulierung wird das umgekehrt: meine Rendite steht (im Prinzip) schon zu Beginn des Jahres fest.

Eine “Hebelung” ist darum eigentlich nicht möglich, weil eine Verringerung des Eigenkapitals zu einer Verringerung des Jahresergebnisses führt. Nur auf den eigenfinanzierten Anteil der Investitionen wird ein Gewinnanspruch gewährt.

Das gilt aber nur bei Betrachtung der Netzbetreibergesellschaft. Im Konzernverbund könnte eine Muttergesellschaft ein Darlehen aufnehmen und dieses als Eigenkapital an die Netzbetreibergesellschaft weiterreichen. So wird ein Gewinnanspruch auf “Eigenkapital” geltend gemacht, das bei einer Konzernbetrachtung Fremdkapital ist. Die Regulierungsbehörden schauen nur auf die Netzbetreibergesellschaft, so dass dieses Vorgehen völlig legal ist.

Das ist auch nichts Verwerfliches: jeder Kaufmann in Deutschland kann selbst entscheiden, wie viele Darlehen er aufnimmt. Immerhin trägt er ja selbst das Insolvenzrisiko. Bei Netzbetreibern wollten die Regulierer offenbar höhere Eigenkapitalquoten erzwingen. Die Vorgabe lässt sich aber leicht umgehen.

Man kann also einen Netzbetreiber wie einen Hedge-Fonds führen. Etwas weniger Risikobereitschaft wäre aber wünschenswert…

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