Industriestrompreis in Deutschland: Wiederholung der Geschichte des ‚Kohlepfennigs‘?

Brauchen wir einen Industriestrompreis, um energieintensive Industrien in Deutschland zu halten? Diese Frage wurde vor dreißig Jahren schon einmal beantwortet. Und zwar mit: „Nein“…

Befürworter eines Industriestrompreises argumentieren, dass die Strompreise in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern deutlich teurer sind, was dazu führe, dass die Produzenten ins Ausland abwandern und die Produkte zukünftig nur noch importiert werden.

Das stimmt, diesen Punkt muss man den Befürwortern lassen. Der Strom in Deutschland gehört zu den teuersten weltweit, was zahlreiche Statistiken zeigen. Produkte mit hoher Energieintensität lassen sich damit nur teuer herstellen, das gleiche Produkt lässt sich in Ländern mit günstiger Energie billiger produzieren. Heimische Produktion lohnt sich damit nicht.

Das bedeutet aber nicht automatisch, dass ein subventionierter Strompreis für die Industrie eine Lösung wäre. Es gibt viele Produkte, die in Deutschland nicht zu wettbewerbsfähigen Preisen hergestellt werden können. Kohle zum Beispiel.

In Deutschland existieren große Kohlevorkommen, insbesondere im Ruhrgebiet. Davon zeugen zahlreiche Schächte, Zechen – und Bergschäden. Trotzdem wird heute nichts mehr davon abgebaut. Das liegt nicht daran, dass keine Kohle mehr benötigt werden würde, denn noch sind die Kohlekraftwerke ja nicht stillgelegt. Es ist schlicht zu teuer, die Kohle hier zu fördern. In anderen Ländern lässt sich Kohle viel einfacher und damit billiger fördern. Obwohl es also heimische Steinkohle gibt, importieren wir sie lieber, weil sie woanders deutlich billiger zu haben ist. Der gesamte Industriezweig „Bergbau“ wurde aufgegeben, also „deindustrialisiert“, wie man neudeutsch sagt.

Die Diskussion um einem Industriestrompreis ist daher vergleichbar mit der um den sogenannten „Kohlepfennig“, der von 1974-1995 von allen Stromverbrauchern gezahlt werden musste, um die deutsche Kohleverstromung zu finanzieren. Eine Art „umgekehrte EEG-Umlage“ also, mit der fossile Energieträger subventioniert wurden.

Der „Kohlepfennig“, der entgegen seiner Bezeichnung durchschnittlich 8% der Stromrechnung ausmachte, musste 1995 abgeschafft werden, weil das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Allgemeinheit der Stromverbraucher „keine besondere Finanzierungsverantwortung“ für Steinkohle aus Deutschland habe.

Gewisse Parallelen lassen sich erkennen. Wenn energieintensive Grundstoffe in anderen Ländern konkurrenzlos billig produziert werden können, dann sollten wir sie vielleicht besser von dort importieren, statt die Industrie hierzulande künstlich aufzupäppeln. Und wenn die Verbraucher „keine besondere Finanzierungsverantwortung“ für Steinkohle aus Deutschland haben, dann gilt das für Produkte der energieintensiven Industrie wohl erst recht.

Wer die Geschichte nicht kennt, ist verdammt, sie zu wiederholen. Das gilt auch für den Industriestrompreis, der in gewisser Weise ein „Kohlepfennig Reloaded“ ist…

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