Bundesminister Robert Habeck hat in einem Konzeptpapier seine Industriestrategie vorgestellt. Was steht drin – und was ist davon zu halten?
Schon der Titel des Papiers „Industriepolitik in der Zeitenwende“ verrät viel über die Weltsicht der Verfasser. Der Begriff Industriepolitik war in Deutschland lange verpönt, weil damit üblicherweise politische Eingriffe in Marktmechanismen beschrieben werden. Bundesminister Habeck scheint zu glauben, dass diese nun notwendig sind.
Der zweite zentrale Begriff des Titels, Zeitenwende, durchzieht in seinem Grundgedanken das gesamte Strategiepapier. Die Welt soll sich in einer Übergangsphase befinden, in der alte Gewissheiten nicht mehr gelten, während eine neue Weltordnung noch im Entstehen ist. Das ist in Bezug auf Klimaschutzmaßnahmen leicht einsehbar: noch ist Deutschland sehr abhängig von fossilen Energiequellen, bis 2045 müssen wir Alternativen gefunden haben.
Aber auch in anderen Bereichen gelten aus Sicht der Verfasser alte Regeln nicht mehr. Es gibt kein günstiges Gas aus Russland, das als Brückenenergieträger fungieren könnte, die USA stehen nicht mehr so verlässlich für die Sicherung der weltweiten Ordnung ein wie früher und China verfolgt aggressiv machtpolitische Ziele und könnte dafür auch Handelsbarrieren missbrauchen. Insgesamt beschreibt das Papier weltweite Lieferketten als gefährdet durch geopolitische Entwicklungen. Das erklärt auch eine neue Wortschöpfung, die im Untertitel des Konzepts auftaucht: „Wirtschaftssicherheit“. Die Resilienz der Wirtschaft soll gestärkt werden.
Das Papier beschreibt viele Maßnahmen, die den Marktmechanismus außer Kraft setzen, sprich: Subventionen. Dazu zählt insbesondere ein Industriestrompreis, der jedoch konsequent „Brückenstrompreis“ genannt wird. Wem dieser zugutekommen soll, bleibt offen. Die Betonung der bereits erfolgten Entlastung kleiner und mittlerer Unternehmen durch den Wegfall der EEG-Umlage – von der energieintensive Unternehmen weniger profitieren – wirkt aber verräterisch.
Nicht mehr den Marktpreismechanismen vertrauen zu können wird begründet mit angeblichem Marktversagen (das jedoch nicht näher erläutert wird) und den Subventionen, die unter anderem die USA und China ihrer Industrie zukommen lassen. Weil die es machen, müssen wir es auch tun, so das Motto.
Die Finanzierungsfrage bleibt weitgehend offen, es wird lediglich auf den Klima- und Transformationsfonds (KTF) verwiesen, der aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung gespeist wird. Über die Herkunft weiterer Mittel müsse zu Beginn der nächsten Legislaturperiode gesprochen werden. Vielleicht hofft man auf andere Koalitionspartner…
Insgesamt werden viele neue Ziele definiert. Die Erfahrung lehrt, dass die Erfolgsquoten der Regierung häufig bescheiden sind (E-Auto-Quote, Digitalisierung der Verwaltung, Windkraftausbau…). Skepsis ist daher angebracht. Einen Industriestrompreis lehnt Bundeskanzler Scholz jedenfalls ab – ob die Umbenennung in „Brückenstrompreis“ daran etwas ändert, bleibt abzuwarten…