Greenwashing und CO2-Kompensation: Der Kampf um Nachhaltigkeit und Glaubwürdigkeit

Was ist eigentlich “Greenwashing”? Und sind die Vorwürfe, die diesbezüglich manchmal erhoben werden, gerechtfertigt? Kann man seine CO2-Emissionen überhaupt “ausgleichen”?

Viele Menschen wollen schon heute klimaneutral leben und wirtschaften. Das gleiche gilt für Unternehmen oder Behörden. Selbst Unternehmen, die für das Thema kein besonderes Interesse haben, werden durch neue Richtlinien zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) sowie zur Vergabe von Krediten nach entsprechenden Kriterien (Taxonomie) verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen – oder Mehrkosten in Kauf zu nehmen.

Die Stadt Hannover beispielsweise will “klimaneutrales Erdgas” beschaffen. Da Erdgas als fossiler Energieträger nicht klimaneutral sein kann, sollen die Emissionen durch CO2-senkende Projekte “ausgeglichen” werden. Die “Neue Osnabrücker Zeitung” beschreibt das so: “Wenn in einer Hannoveraner Behörde künftig jemand die Heizung aufdreht, wird in Vietnam oder irgendwo anders auf der Welt ein Baum gepflanzt”. Klingt nach Polemik, trifft den Nagel aber auf den Kopf.

Es gibt viele Maßnahmen, die als CO2-Senke wirken können. Dazu zählen Aufforstungen, die Vernässung von Mooren, CO2-Speicherprojekte, die Verdrängung von Kohlestrom durch Windstrom und vieles mehr. Rein rechnerisch kann man also “guten Gewissens” in Deutschland eine Tonne fossiles CO2 emittieren, wenn man parallel dafür sorgt, dass an einem anderen Ort auf der Welt eine Tonne CO2 vermieden oder gespeichert wird.

Um unsere Emissionen mit weltweiten Vermeidungsprojekten zu verknüpfen, bieten verschiedene Organisationen vertragliche Vereinbarungen an. Diese werden unter dem Begriff “Voluntary Emission Reductions” (VER) in Form von Zertifikaten gehandelt und weltweit verkauft. So kann beispielsweise ein Investor in Indien, der Windkraftanlagen aufstellen will, einen Teil der Finanzierung sichern: er verkauft seine CO2-Vermeidungsleistung an einen europäischen CO2-Emittenten, der damit rechnerisch “grüner” wird.

Auf ähnliche Weise funktioniert der Verkauf von “grünem” Strom: der Erzeuger von Grünstrom verkauft seine CO2-Vermeidungsleistung an einen Verbraucher. Beim Strom heißen die Zertifikate “Herkunftsnachweise”.

Als “Greenwashing” bezeichnet man Aktivitäten, mit denen man ein grünes Image erwerben will, ohne tatsächlich nachhaltiger zu werden. Für viele ist der Handel mit Herkunftsnachweisen oder VER-Zertifikaten Greenwashing. Aber so einfach ist es nicht: wenn das Windrad in Indien ohne die Einnahmen aus dem VER nicht gebaut werden kann, leisten diese Zertifikate ja tatsächlich einen Beitrag zur Nachhaltigkeit. Das gleiche gilt für Herkunftsnachweise.

Letztlich kommt es immer darauf an, ob die zusätzlichen Einnahmen den Ausbau von Erneuerbaren finanzieren, oder nur zu zusätzlichen Gewinnen für Bestandsanlagen führen. Gute Projektanbieter achten darauf, dass mindestens ein Teil der Einnahmen zur Ausbaufinanzierung verwendet werden muss.

Haben Sie trotzdem Störgefühle bei diesem Vorgehen?

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