Lohnt es sich für Industrieunternehmen, ihren Strom selbst zu erzeugen?

Lohnt es sich für Industrieunternehmen, ihren Strom selbst zu erzeugen? Die Antwort ist ein klares: es kommt darauf an! Viele Industrieunternehmen überschätzen die Vorteile und unterschätzen die Risiken.

Die meisten Unternehmen wollen durch die Eigenerzeugung Geld sparen. Dabei ist zu beachten, dass Strom eine Handelsware ist. Jede Kilowattstunde, die man erzeugt, kann man grundsätzlich auch am Markt zum Marktpreis veräußern. Wenn man den Strom selbst verbraucht, verzichtet man auf den Veräußerungsgewinn. Entgangener Umsatz ist auch eine Form von Kosten, in einer internen Kostenrechnung muss der selbst verbrauchte Strom daher mit den (hypothetischen) Absatzpreisen bewertet werden, nicht mit den Gestehungskosten. Das ist genau wie beim Einzelhändler, der seine Waren selbst verbraucht. Die entgangene Marge ist Teil der Kosten.

Ein weiteres Ziel ist eine langfristige Planbarkeit der Strombezugskosten. Dem steht eigentlich schon das Argument aus dem vorigen Absatz entgegen. Zusätzlich stellt sich die Frage, wie wichtig die Planbarkeit ist. Bei Industrien, in denen die Stromkosten nur 2% der Herstellkosten ausmachen ist das Risiko steigender Stromkosten gut tragbar. Für energieintensive Branchen gilt das vielleicht nicht. Eine Preisabsicherung nach oben bedingt allerdings meist auch einen Mindestpreis nach unten – wenn die Marktpreise fallen, profitiere ich also nicht.

Dann stellt sich noch die Frage nach dem Zeithorizont. Mit dem Eigenbetrieb einer Erzeugungsanlage bindet man Kapital für 20 Jahre. Unter Umständen lohnt sich das, aber manchmal drängt sich das Bild der Figur „Herr Lohse“ aus dem amüsanten Loriot-Film „Pappa ante portas“ auf: um Kosten zu sparen beschafft Herr Lohse den Schreibmaschinenpapierbedarf der nächsten 40 Jahre. Vielleicht wäre das Kapital anders besser angelegt.

Schließlich gibt es noch die berechtigte Hoffnung, mit der Anlage Gewinne zu erzielen, wenn Strom direktvermarktet wird. Tatsächlich sind besonders Windkraftanlagen häufig eine gute Investition. Aber jedes Unternehmen ist in irgendeinem Geschäftsfeld tätig, weil es sich eine Rendite verspricht. Warum also Kapital in einer fremden Branche investieren? Wenn die Rendite der Erzeugungsanlage niedriger als die der eigenen Branche ist, sollte man das Kapital doch lieber in seinem angestammten Umfeld investieren. Und wenn die Rendite der Erzeugungsanlage höher ist, sollte man sein angestammtes Geschäftsfeld vielleicht hinterfragen.

Es bleibt das Argument, beim Klimaschutz zu helfen, und natürlich müssen wir über jede zusätzlich klimaneutral erzeugte Kilowattstunde froh sein. Risikoarm und grundsätzlich gut zu rechtfertigen sind vor diesem Hintergrund Anlagen auf dem eigenen Werksgelände, deren Erzeugung man im Wesentlichen selbst verbraucht. Chancen und Risiken sollten aber immer gut abgewogen werden.

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