Klimaneutralität: Allein oder gemeinsam? Deutschland und die globale Verantwortung

Deutschland ist nur für etwa 2 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, China für rund 30 Prozent. Warum also sollten wir unter großer Anstrengung und mit hohen Kosten klimaneutral werden, wenn die Chinesen nicht den gleichen Weg gehen? Dieses Argument hört man häufig und das gefährliche ist: es ist nicht ganz wahr, aber auch nicht ganz falsch.

Vorab: natürlich müssen wir so schnell wie möglich klimaneutral werden, auch wenn das hohe Kosten verursacht. Das einfachste Argument dafür: 184 Staaten auf der Welt verursachen noch weniger CO2-Emissionen als wir. Zusammen emittieren diese Staaten aber 37 Prozent der weltweiten Emissionen. Wenn Deutschland und alle kleineren Emittenten nichts tun würden, könnten 37 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen nicht reduziert werden.

Gleichzeitig muss man aber auch die einfache Wahrheit anerkennen, dass es dem Klima egal ist, ob das CO2 in Deutschland oder in China oder Indien emittiert wird – es gelangt immer in die gleiche Atmosphäre. Darum wäre es natürlich totaler Quatsch, in Deutschland Kohlekraftwerke abzubauen, um sie in China wieder aufzubauen.

Genau das passiert aber momentan: in Deutschland geben wir uns größte Mühe, den Kohleausstieg bis spätestens 2038, lieber noch bis 2030 umzusetzen. In China, Indien und einigen anderen Ländern werden derzeit aber fast 200 neue Kohlekraftwerke errichtet! Die Karte zeigt, wo neue Kohlekraftwerke geplant oder in Bau sind. In einigen Ländern werden sogar neue Kohlevorkommen erschlossen, um Brennstoff für diese Kraftwerke abzubauen.

Das alles ist kein Geheimnis. China will offiziell erst bis 2060 klimaneutral sein und geht davon aus, die CO2-Emissionen erst ab 2030 sinken werden. Indien strebt Klimaneutralität sogar erst bis 2070 an und geht davon aus, dass erst ab 2045 die CO2-Emissionen sinken werden.

Wie kann Europa mit dieser Situation umgehen? Wir könnten uns achselzuckend darauf berufen, dass wenigstens wir „das Richtige“ tun und in moralischer Überheblichkeit davon ausgehen, dass uns früher oder später schon alle folgen werden – und falls nicht, gehen wir wenigstens mit einem reinen Gewissen in die Klimakatastrophe, nach dem Motto: an uns lag’s nicht!

Erfolgsversprechender ist aber ein pragmatischer Ansatz. Die EU hat 448 Millionen kaufkräftige Einwohner. Wir könnten also die CO2-Emissionen, die mit Importen in die EU verbunden sind, zur Basis eines Zollregimes machen. Ein erster Schritt wurde 2022 gemacht: für den Import besonders umweltbelastender Güter wie Stahl und Zement müssen Unternehmen künftig CO2-Zertifikate kaufen.

Es wäre sinnvoll, diese Regelung auch auf andere Produkte auszuweiten. So könnten wir vielleicht das ein oder andere Kohleprojekt unrentabel werden lassen…

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