Um Klimaneutralität zu erreichen wird Wasserstoff benötigt – grüner Wasserstoff. Dieser lässt sich aus regenerativ erzeugtem Strom mittels Elektrolyseuren herstellen, von denen bis 2030 (und darüber hinaus) eine große Anzahl aufgebaut werden soll. Die Frage ist: wo sollen diese aufgestellt werden? Drei Szenarien sind denkbar:
- Elektrolyseure werden in der Nähe der Stromerzeuger platziert, also bspw. neben einem Windpark oder an der Küste, wo der Strom aus Windparks auf See anlandet.
- Elektrolyseure werden in der Nähe der Wasserstoffverbraucher platziert, also bspw. in Industriegebieten mit Unternehmen, die Wasserstoff benötigen.
- Elektrolyseure werden in der Nähe von Wasserstoff-Transportnetzen aufgebaut, die die erzeugten Mengen aufnehmen und zum Verbraucher transportieren.
Eine Studie mit dem Titel „Quo Vadis, Elektrolyse“, die im Auftrag von Gasunie Deutschland, TenneT und Thyssengas durchgeführt wurde, kommt zu dem Schluss, dass die Regionen „nordwestliches Niedersachsen“ und Schleswig-Holstein – jedenfalls in einer ersten Phase – als Standorte für Elektrolyse gut geeignet seien. Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass Aufstellungsorte in der Nähe der regenerativen Erzeugungsanlagen zu bevorzugen sind. So einfach ist es aber nicht: als vorteilhaft wird in der Studie explizit auch die Nähe zu einer potentiellen Gas-Transportnetzinfrastruktur genannt, die aus bestehenden Erdgas-Transportnetzen transformiert werden soll.
Wesentlich für die Beantwortung der Standort-Frage ist, was sich leichter und kostengünstiger transportieren lässt: grüner Strom oder Wasserstoff? Wenn die Elektrolyseure in der Nähe der Stromerzeuger platziert werden entfällt volkswirtschaftlich betrachtet der Aufwand für den Stromtransport, was einer Überlastung der Stromnetze entgegenwirkt. Es ist dann aber natürlich erforderlich, den erzeugten Wasserstoff abzutransportieren. Die dafür nötige Gasleitungsinfrastruktur wird man in der Nähe von Windrädern und Windparks häufig nicht finden. Ein Transport via Tanklaster ist technisch aufwendig und in größeren Mengen nicht wirtschaftlich.
Eine Platzierung der Elektrolyseure in der Nähe der Wasserstoff-Verbraucher vereinfacht den Transport des erzeugten Wasserstoffs zum Einsatzort. Der grüne Strom muss dann natürlich über das Stromnetz zum Elektrolyseur transportiert werden, was die Wirtschaftlichkeit verringern würde. Aus diesem Grunde gibt es für die Betreiber von Elektrolyseuren und anderen Power-to-Gas-Anlagen eine Ausnahme, nach der sie für die ersten 20 Jahre ab Inbetriebnahme der Power-to-Gas-Anlage keine Netzentgelte entrichten müssen (§118 Abs. 6 S. 1 EnWG). Diese Ausnahmeregelung hatte der Gesetzgeber in 2019 mit Erlass des Netzausbaubeschleunigungsgesetzes (NABEG) eingeschränkt: sie sollte nur noch dann gelten, wenn der erzeugte Wasserstoff rückverstromt und wieder in das Netz eingespeist würde, nicht aber, wenn der Wasserstoff beipielsweise für Wasserstoff-Busse eingesetzt würde. Nach erheblichen Protesten und dem Hinweis, dass diese Regelung der eigentlich geforderten Sektorkoppelung doch entgegenwirke, wurde diese Einschränkung jedoch zurückgenommen, so dass Elektrolyseure nunmehr wieder für 20 Jahre von den Netzentgelten befreit sind. Eine gute Nachricht für die Betreiber von Power-to-Gas-Anlagen – es bleibt aber abzuwarten, ob die Diskussion nicht wieder auflebt, wenn der Transport erheblicher Strommengen letztlich durch die nicht begünstigten Netznutzer mitfinanziert werden muss. Eine ähnliche Diskussion gab es bereits in Bezug auf die Netzentgelte im Zusammenhang mit dem Anschluss regenerativer Erzeugungsanlagen, was dazu führte, dass seit 2017 schrittweise bundeseinheitliche Netzentgelte auf der Übertragungsnetzebene eingeführt werden. Dennoch sind die Netzentgelte in Schleswig-Holstein etwa 20% teurer höher als im Rest der Republik, unter anderem weil große Mengen an Offshore-Strom hier aufgenommen und transportiert werden müssen.
Ein weiterer Aspekt bei der Standortfrage von Elektrolyseuren ist, wie Abwärme genutzt werden kann. Aktuell erreichen Elektrolyseure elektrische Wirkungsgrade von rund 62,5%, manche erreichen auch bereits 80%. Das bedeutet, dass zwischen 37,5% und 20% des verwendeten Stroms in Wärme umgewandelt wird. Die Wirtschaftlichkeit eines Elektrolyseurs lässt sich erheblich steigern, wenn diese Abwärme produktiv genutzt werden kann. Das wird in der Nähe der Wasserstoff-Verbraucher, d.h. in Industriegebieten, wo möglicherweise Prozesswärme ganzjährig benötigt wird, sicher eher möglich sein als in der Nähe der Strom-Erzeuger, die häufig etwas abgelegen sind. Die Technik für Elektrolyseure schreitet jedoch voran, erste Unternehmen berichten bereits Wirkungsgrade von 98%, was die Frage nach der Nutzung von Abwärme perspektivisch egalisieren wird.
Wie bei jeder Maschine hängt die Wirtschaftlichkeit eines Elektrolyseurs auch von der Auslastung ab: eine hohe Auslastung verspricht geringere Grenzkosten. Eine Platzierung von Anlagen in der Nähe der Stromerzeuger steht dem entgegen, denn in diesem Fall wäre Elektrolyse nur dann profitabel, wenn eine Direktvermarktung des erzeugten Stroms nicht möglich oder wirtschaftlich ist. Der Elektrolyseur würde vorrangig mit Ausfallarbeit betrieben werden, was die durchschnittlichen Benutzungsstunden verringern würde und die Grenzkosten erhöht.
Fazit: in der Hochlaufphase der Wasserstoffwirtschaft werden Elektrolyseure voraussichtlich vorrangig in der Nähe industrieller Großverbraucher aufgestellt, um das Wasserstoff-Transportproblem zu lösen. Das führt zu einer starken Belastung der Stromnetze, die aber durch die Netzentgelt-Befreiung nicht von den Wasserstoff-Produzenten getragen wird. Mit fortschreitendem Ausbau von Wasserstoff-Netzen wird man Elektrolyseure voraussichtlich überall dort errichten, wo eine Einspeisung in ein Wasserstofftransport- oder Verteilnetz möglich ist. Eine Anpassung der Strom-Netzentgeltbefreiung von Power-to-Gas-Anlagen könnte neue Anreizwirkungen entfalten. Die Platzierung von Power-to-Gas-Anlagen in der Nähe regenerativer Stromerzeuger ist – und bleibt – voraussichtlich unwirtschaftlich.
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