Steigen die Franzosen aus der Kernkraft aus, weil sie zu teuer wird?

„Die Franzosen steigen jetzt auch aus der Kernkraft aus“ – so oder ähnlich wurde in den letzten Monaten über einen neuen Bericht des französischen Rechnungshofs, der im Januar veröffentlicht wurde, spekuliert. Andere Stimmen hielten dagegen: Der Bericht sei ein klares Bekenntnis zur #Atomkraft, lediglich missverstanden. Was stimmt denn nun? Die Antwort ist einfach – und unbequem: beides ist falsch.

Wer sich die Mühe macht, die 97 Seiten voll französischer Bürokraten-Sprache durchzuarbeiten (gut, dass es KI-Übersetzer gibt), erkennt rasch: Der „Cour des comptes“ liefert keine energiepolitische Richtungsentscheidung, sondern ein schonungsloses Protokoll technischer, finanzieller und organisatorischer Probleme eines Großprojekts, das aus dem Ruder gelaufen ist.

Frankreich will bis 2050 sechs neue EPR2-Reaktoren bauen, weitere sind angedacht. Doch der Rechnungshof warnt: ohne belastbare Planung und gesicherte Finanzierung sei eine endgültige Investitionsentscheidung riskant. Flamanville 3 – einst für 3,3 Mrd. € veranschlagt, inzwischen bei 23,7 Mrd. € – gilt als Negativbeispiel. Die erwartete Rentabilität liegt unter den Kapitalkosten von EDF. Wirtschaftlich wäre der Reaktor nur bei Strompreisen von über 12,2 Cent pro Kilowattstunde – deutlich oberhalb heutiger Marktpreise.

Auch das EPR2-Programm insgesamt wirft Fragen auf: die jüngste Prognose der Erzeugungskosten liegt bei 9,3 Cent pro Kilowattstunde – mit Unsicherheiten. Der Bericht fordert klare Prioritäten: erst solide finanzieren, dann entscheiden. Internationale Projekte sollen nicht weiterverfolgt werden, solange Risiken aus dem berühmt-berüchtigten Projekt „Hinkley Point C“ den französischen Quasi-Monopolisten @Électricité de France (EDF) belasten.

Deutlich wird, dass die Probleme nicht allein in der Technik liegen, sondern auch in der Projektstruktur. Der Bericht kritisiert die mangelhafte Projektsteuerung, eine überforderte Aufsicht, Kompetenzengpässe und Unklarheiten bei der Verantwortungsverteilung zwischen #EDF, Ministerien und Behörden. Trotzdem wird die Kernkraft als strategisch notwendig zur Dekarbonisierung eingestuft.

Der Bericht hinterfragt also nicht die strategische Entscheidung zugunsten der Kernkraft, sondern legt den Finger auf die Schwächen in Planung, Steuerung und Finanzierung – dort, wo Umsetzung beginnt und Visionen scheitern können.

Am Ende ist der Bericht weniger ein Urteil über die #Kernkraft – und mehr ein Prüfstein für die Fähigkeit, aus komplexen Großprojekten endlich wieder funktionierende Infrastruktur zu machen.

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