Sollte Deutschland in fünf Strompreiszonen aufgeteilt werden?

Deutschland soll in fünf Strompreiszonen zerschlagen werden. Jedenfalls wenn man so tut, als schrieben wir noch das Jahr 2019. Ein Schildbürgerstreich? Nein, gelebte EU-Bürokratie…

„Deutschland ist eine Kupferplatte“ lautet ein Branchen-Bonmot. Im Großhandel braucht man deswegen als Lieferort für Stromkontrakte nur „Deutschland“ angeben. Wo genau man den Strom verbrauchen will, ist egal – die Netzbetreiber müssen es eben irgendwie hinkriegen.

Und wenn ein Windmüller an der Nordseeküste seinen Strom in Bayern verkauft, die Netze aber keine Durchleitung zulassen, dann muss der Netzbetreiber ersatzweise ein Kohlekraftwerk in Süddeutschland anwerfen lassen. Der Windmüller legt sein Windrad gegen Entschädigung still. Die Kosten für Windentschädigung und Kohlekraftwerksbetrieb zahlt am Ende der Netzkunde.

So ein Quatsch ließe sich verhindern, wenn man als Lieferort nicht mehr nur „Deutschland“, sondern z.B. „Norddeutschland“ oder „Süddeutschland“ angeben müsste. Dann würden Geschäfte, die physikalisch unmöglich sind, verhindert.

Das weiß auch die EU und hat daher qua Verordnung festgelegt, dass der Zuschnitt der sogenannten Strompreiszonen (Bidding Zones) regelmäßig überprüft werden muss. Eine solche Überprüfung wurde 2019 angestoßen – und schon jetzt liegt das Ergebnis vor…

Das Ergebnis zeigt die Karte: statt einer sollte es in Deutschland demnächst fünf #Strompreiszonen geben. Das hätte laut Studie einen Wohlfahrtsgewinn von 339 Mio. € p.a. zur Folge – also knapp unter 1 % der simulierten Systemkosten. Wow.

Bei den meisten politischen Fragen sprechen wir heutzutage über Milliarden, nicht Millionen. Es stellt sich also schon die Frage, wie viel Aufmerksamkeit dieses Thema wirklich verdient.

Denn auf eines weisen selbst die Übertragungsnetzbetreiber, die den Bericht erstellt haben, deutlich hin: alle Simulationsrechnungen der Studie basieren auf Daten aus 2019! Eigentlich sollte die Erstellung des Berichts nämlich maximal 12 Monate dauern. Und als zu untersuchendes Basisjahr sieht die Verordnung 2025 vor.

Man wollte also in 2020 ein Szenario für 2025 als Entscheidungsgrundlage haben. Stattdessen hat man jetzt – weil die Mühlen der #Bürokratie eben langsam mahlen – in 2025 ein „Szenario“ für 2025, das von der Wirklichkeit rechts überholt worden ist.

Im Bereich der Stromerzeugung und der Stromnetze ist seit 2019 eine Menge passiert. Es gab einen gigantischen Ausbau der #Erneuerbaren, eine Energiekrise, den Wegfall russischer Gaslieferungen, ein Heizungsgesetz und einen Ausbau der Übertragungsnetze, der noch immer im Gange ist.

In 2025 auf 2025 zu schauen und dabei so zu tun, als wäre noch 2019, ist ziemlich verrückt. Aber die Behörden ließen eine Aktualisierung der Daten nicht zu. Wo kämen wir da hin?

Und so bleibt den Übertragungsnetzbetreibern, denen an dieser Stelle wirklich kein Vorwurf zu machen ist, nur der Hinweis, dass man Entscheidungen besser nicht auf dieser Grundlage treffen sollte.

So weit, so gut. Wozu aber dann die ganze Mühe und Aufregung?

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