Werden wir bald wieder russisches Gas importieren? Geht die Nord-Stream-Pipeline wieder in Betrieb, wenn der Krieg in der Ukraine endet?
Früher importierte Deutschland mehr als die Hälfte seines Gasbedarfs über Pipelines aus Russland. Bis 2011 verliefen die Transitrouten auf dem Landweg und kreuzten mehrere andere Länder, bevor das Gas in Deutschland ankam.
Um die Abhängigkeit vom Transitland Ukraine zu verringern und die Partnerschaft mit Russland zu stärken (peinlich, aber wahr…) wurde zusätzlich die aus zwei Röhren durch die Ostsee bestehende Pipeline “Nord Stream 1” gebaut und 2011 in Betrieb genommen.
Aus den gleichen Gründen wurden noch zwei weitere Röhren geplant und gebaut – aber nie in Betrieb genommen: die “Nord Stream 2”-Pipeline.
Durch den Ausbruch des Ukraine-Kriegs endeten die Pipeline-Importe, teils wegen polnischer oder ukrainischer Sanktionen, teils wegen der Sprengung von drei (der insgesamt vier) Nord-Stream-Röhren. Über einige Pipelines fließt bis heute russisches Gas nach Europa, jedoch hauptsächlich nach Süd- und Osteuropa, nicht nach Deutschland.
Importe aus Russland nach Deutschland gibt es trotzdem noch, aber nur noch als Flüssiggas (#LNG). Zwischen 3% und 9% der Importe sollen es sein, genauer können wir es irgendwie nicht sagen, wegen “komplexer Lieferketten”. Erstaunlich in einem Land, in dem jedes Hühnerei einen Herkunftsstempel tragen muss. Aber vielleicht wollen wir es auch nicht so genau wissen…
Im Prinzip könnten die Pipeline-Importe wieder aufgenommen werden, denn die Infrastruktur ist noch vorhanden. Drei von vier Nord-Stream-Röhren müssten repariert werden, was teuer, aber wahrscheinlich möglich wäre. Auch die anderen Pipelines könnten grundsätzlich wieder genutzt werden.
Wäre das sinnvoll?
Dafür spricht, dass unsere Wirtschaft noch immer stark von billigem Erdgas abhängig ist. Eine Ausweitung des Gasangebots würde zu sinkenden Preisen führen und wahrscheinlich die Konjunktur beflügeln. Auch die Strompreise, die noch immer stark mit den Gaspreisen gekoppelt sind, würden wieder sinken. Das wiederum würde – paradoxerweise – der Energiewende helfen, denn so rechnen sich Elektroautos und Wärmepumpen viel schneller.
Zudem könnte die Aussicht auf neue Einnahmen für Russland ein Anreiz sein, am Verhandlungstisch Zugeständnisse zu machen.
Gegen erneute Gaslieferungen aus Russland spricht, dass sich Russland in einem Krieg mit dem Westen wähnt. Es liegt daher im strategischen Interesse Europas, Moskaus wirtschaftliche Stärke nicht unnötig zu festigen. Doch wie weit sind wir bereit zu gehen? Würden wir riskieren, dass Russland zu einem „Failed State“ wird – ein Land mit rund 6.000 Nuklearsprengköpfen?
“Wer den Hafen nicht kennt, in den er segeln will, für den ist kein Wind der richtige”, wussten schon die Römer. Wir werden uns Gedanken machen müssen, welches Ziel wir in Bezug auf #Russland verfolgen. Erst dann kann man über #Gasimporte entscheiden.
Prinzipien oder Realpolitik? Schwierige Fragen kommen auf uns zu…