Grüner Wasserstoff wird vielleicht noch teurer sein, als wir alle befürchten. Denn wir machen bei den Kostenschätzungen alle den gleichen, fatalen Fehler.
Deutschland setzt – mehr noch als viele andere Länder – auf grünen Wasserstoff, um die Energiewende umzusetzen. Das Wundermolekül soll Dunkelflauten überbrücken, industrielle Prozesse dekarbonisieren, als Grundstoff für eFuels dienen und vieles mehr. Dazu kommen die Anwendungen, die heute schon Wasserstoff erfordern.
Denn man darf nicht vergessen: heute schon werden in Deutschland jährlich 60 Terawattstunden Wasserstoff verbraucht, hauptsächlich in der chemischen Industrie und in Raffinerieprozessen. Um diese Menge mit grünem Strom in Elektrolyseanlagen herzustellen, bräuchte es 92 Terawattstunden Grünstrom.
Im Jahr 2023 trugen die Erneuerbaren 252 Terawattstunden zur Stromerzeugung bei. Wir müssten also eigentlich heute schon ein Drittel der Grünstromproduktion allein für die Wasserstofferzeugung reservieren!
Der zukünftige Wasserstoffbedarf wird auf mehrere hundert Terawattstunden geschätzt…
Wie teuer wird das?
Dazu gibt es eine Vielzahl von Studien, die sowohl die Produktions- als auch die Transportkosten von Wasserstoff untersuchen. Darüber hinaus werden auch schon Preisindizes für grünen Wasserstoff veröffentlicht, beispielsweise der “Hydex” von der Beratungsgesellschaft E-Bridge. In den Medien zitiert wird häufig der günstigste Preis, nach dem Motto: so billig kann man grünen Wasserstoff herstellen.
So funktionieren Märkte aber nicht. Für Handelswaren, egal ob Erdgas oder Wasserstoff gilt: der teuerste Anbieter, der noch am Markt bestehen kann, bestimmt den Preis für alle.
Diesen Mechanismus bekamen wir schmerzhaft in der Energiekrise zu spüren, als steigende Kosten für Erdgas auch die Strompreise auf Rekordhöhen trieben. Denn an der Börse gilt das Merit-Order-Prinzip: das teuerste Kraftwerk, das gerade noch benötigt wird, setzt den Preis. Werden teure Gaskraftwerke gebraucht, steigen die Strompreise entsprechend.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch der Markt für grünen Wasserstoff von einem Nachfrageüberhang geprägt sein wird, der selbst teure Anbieter ins Spiel bringt. In vielen Sektoren gibt es schlicht keine Alternative zu grünem Wasserstoff – es heißt „buy or die.”
Kurz gesagt: Für den Marktpreis ist es irrelevant, wie günstig der billigste Anbieter Wasserstoff produzieren kann. Die preiswerten Produzenten werden hohe Gewinne einfahren, doch den Marktpreis wird der teuerste Anbieter bestimmen, der noch einen Käufer findet.
Preise von über 20 Cent pro Kilowattstunde Wasserstoff sind daher durchaus möglich. Zum Vergleich: Erdgas liegt aktuell bei etwa 4 Cent pro Kilowattstunde…
Ist Wasserstoff also keine “Wunderwaffe” der Energiewende? Doch, ist er! Denn wie gesagt, in vielen Sektoren gibt es keine Alternativen. Allerdings wird eine kostenneutrale Dekarbonisierung wohl nicht machbar sein – so ehrlich sollten wir sein.