Der Industrie sollen die gewohnten Netzentgeltrabatte genommen werden, weil die Erneuerbaren unser Stromsystem in die Knie zwingen. Stattdessen soll jetzt abhängig von Sonne und Wind produziert werden. Die Industrie ist skeptisch, aber auch für die Netzbetreiber könnte das zum Problem werden.
Die Idee ist naheliegend: wenn das Angebot nicht geregelt werden kann und zunehmend starr wird, dann muss es eben mehr Flexibilität auf der Nachfrageseite geben. Aus diesem Grund werden ab 2025 alle Versorger verpflichtet, einen #dynamischen #Stromtarif anzubieten, der sich an den aktuellen Börsenpreisen orientiert.
Auch die Netzentgelte sollen Flexibilität anreizen. Die Bundesnetzagentur hat im Juli ein Eckpunktepapier veröffentlicht, wie dynamische Netzentgelte zu „systemdienlichem“ Verhalten führen sollen. Netzkunden sollen den Verbrauch erhöhen, wenn das Stromangebot hoch ist und die Nachfrage reduzieren, wenn das Stromangebot niedrig ist. Also genau der gleiche Mechanismus wie auf der Vertriebsseite.
Aber: ist das wirklich „systemdienlich“?
Auf der Netzseite bestehen nämlich zwei Problemfelder. Einerseits müssen Angebot und Nachfrage jederzeit in einem Gleichgewicht sein, damit Netzspannung und -frequenz aufrechterhalten werden. Und andererseits darf die Gesamtdurchleitung nie die Gesamtkapazität des Netzes übersteigen.
Das erste Problemfeld, das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage, wird eigentlich schon auf der Vertriebsseite gelöst, denn in Deutschland darf keine Kilowattstunde eingespeist werden, ohne einen Abnehmer benennen zu können. Und keine Kilowattstunde darf entnommen werden, ohne einen Lieferanten zu benennen.
Dieses Gleichgewicht wird im sogenannten Bilanzkreissystem sichergestellt und streng überwacht. Das ist der Grund, warum es negative Strompreise überhaupt gibt: Erzeuger sind manchmal gezwungen, Abnehmer zu vergüten, um den Ausgleich ihrer Bilanzkreise sicherzustellen. Denn ein Angebot ohne Abnahme ist – schon heute – ausgeschlossen.
Das zweite Problem ist drängender: die Gesamtdurchleitung darf die Gesamtkapazität des Netzes nicht übersteigen. Denn das Stromnetz ist darauf ausgelegt, dass nie alle Verbraucher gleichzeitig Leistung abrufen. Dazu unterstellen Netzbetreiber sogenannte „Gleichzeitigkeitsgrade“ bei der Dimensionierung ihrer Netze.
Bisher konnte man Rabatte auf Netzentgelte erhalten, wenn man seinen Stromverbrauch zeitlich verteilte oder in Randzeiten verlagerte. Denn so konnte die vorhandene Netzkapazität bestmöglich genutzt werden, ohne dass Überlastung drohte. Damit wurden auch Kosten für Netzausbauten gespart.
Ein Wechsel zu dynamischen Netztarifen würde dieses Prinzip aushebeln: plötzlich gäbe es Anreize für *mehr* statt weniger Gleichzeitigkeit. Das hilft zwar bei der Stabilisierung der Strompreise, führt aber unweigerlich zu Kapazitätsproblemen in den Stromnetzen.
Eigentlich sind dynamische Netztarife deswegen nicht „systemdienlich“. Jedenfalls nicht für #Netzbetreiber.