Dürfen die das? Warum die Stilllegung von Gasnetzen rechtlich noch in der Schwebe ist

Der Mannheimer Energieversorger MVV will bis 2035 seine Gasnetze stilllegen. Die Kunden reagieren entsetzt. Kurze Frage: dürfen die das eigentlich? Kurze Antwort: nö, eigentlich nicht. Noch nicht…

Regelungen zum Betrieb von Gasnetzen finden sich in verschiedenen deutschen Gesetzen, beispielsweise im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) oder in der Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV). Darüber hinaus musste jeder Gasnetzbetreiber einen Konzessionsvertrag mit der Kommune schließen, in der er das Netz betreibt. Keine dieser Rechtsquellen enthält jedoch derzeit Regelungen zur #Stilllegung von Gasnetzen.

Das liegt daran, dass die Gesetzgebung bisher von einer “Ewigkeitsfiktion” ausging, also davon, dass eine Stilllegung und ein Rückbau der #Gasnetze niemals erfolgen wird. Naiv, vielleicht. Aber genauso naiv war es wohl, die Energiewende jahrzehntelang allein auf die Stromversorgung zu verengen, obwohl im Wärmesektor viel mehr CO2 ausgestoßen wird.

Die Ewigkeitsfiktion ist jedenfalls falsch und sie war es wohl schon immer. Wir brauchen jetzt Regelungen, unter welchen Voraussetzungen Gasnetzanschlüsse stillgelegt werden dürfen. Das Einfachste wäre, man wartet einfach ab, bis der letzte Kunde freiwillig seinen Gasanschluss aufgegeben hat. Das führt aber dazu, dass die Infrastruktur Jahr für Jahr für weniger und weniger Kunden aufrechterhalten wird, bis zum Schluss ein gesamtes Gasnetz für einen einzigen, letzten Kunden betrieben wird. Der dann auch die gesamten Kosten alleine tragen muss.

Ist natürlich Quatsch. Sobald eine bestimmte Mindestanzahl von angeschlossenen Kunden unterschritten wird sollte ein Gasnetzbetreiber das Recht haben, den restlichen Kunden – mit einer großzügigen Frist – die Kündigung auszusprechen und das Netz dann stillzulegen. Genau so ein Kündigungsrecht gibt es aber bisher nicht.

Im Gegenteil: Konzessionsverträge verpflichten die Netzbetreiber in der Regel zum Weiterbetrieb des Netzes, ebenso das EnWG. In der Niederdruckanschlussverordnung (NDAV) wird dem Netzbetreiber zwar ein Kündigungsrecht für Netzanschlüsse eingeräumt, das aber nur greift, wenn ihm der Anschluss “aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist”. Ziemlich schwammig… Und greift auch nur bei Niederdruckanschlüssen.

Die Politik hat das Problem aber erkannt und es gibt – aus Sicht der Netzbetreiber – einen Silberstreif am Horizont. Die EU hat nämlich eine neue #Gasbinnenmarktrichtlinie erlassen. Diese ermöglicht nicht nur, sondern verpflichtet Gasnetzbetreiber sogar, Stilllegungspläne für Gasnetze zu entwickeln, wenn eine sinkende Nachfrage nach Erdgas zu erwarten ist. Und unter bestimmten Voraussetzungen dürfen dann auch Gasnetzanschlüsse gekündigt werden.

Die Richtlinie muss noch in deutsches Recht überführt werden und dabei sind noch viele Ermessensfragen zu klären. Aber umgesetzt werden muss die Richtlinie, soviel steht fest. Darauf berufen sich auch die Mannheimer.

Also: dürfen die das? Noch nicht. Aber bald…

Kommentar verfassen