Die Bundesregierung hat am 22.11.2022 einen Gesetzesentwurf für die Strom- und Gaspreisbremsen vorgelegt, die ab 2023 gelten sollen. Der Preisdeckel für Privathaushalte und Kleingewerbe soll beim Strom 40 Cent pro Kilowattstunde und beim Gas 12 Cent pro Kilowattstunde betragen. Die Deckelung gilt nur für 80% des Vorjahresverbrauchs, damit ein Anreiz zum Energiesparen verbleibt, denn für die verbleibenden 20% des Verbrauchs muss der reguläre Energiepreis entrichtet werden.
In 2022 wird für Gas bereits eine Entlastung nach dem „Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz“ (EWSG) gewährt. Diese beträgt 1/12 des prognostizierten Jahresverbrauchs. Der tatsächliche Verbrauch 2022 hat auf die Soforthilfe keine Auswirkungen, der dient nur der Deckelung der Gaspreisbremse im Folgejahr.
Nun stellt sich eine interessante Optimierungsproblematik: wenn die Verbrauchsmenge 2022 die Deckelung des Jahres 2023 definiert, ist es dann nicht unter bestimmten Voraussetzungen sinnvoll, in 2022 bewusst mehr zu verbrauchen, um den Deckel im Folgejahr auf eine höhere Menge zu heben? Und wenn das so ist, unter welchen Voraussetzungen ist das (individuell) sinnvoll? Volkswirtschaftlich ist das natürlich eigentlich Unfug, aber die meisten Verbraucher werden wohl eher mikroökonomisch optimieren…
Für Gas sieht die Rechnung so aus: eine Kilowattstunde Mehrverbrauch in 2022 führt zu einem um 0,8 Kilowattstunden höheren Preisdeckel in 2023 (der Deckel ist begrenzt auf 80% des Vorjahresverbrauchs). Welchen „Wert“ haben diese 0,8 Kilowattstunden zusätzlicher Preisdeckel? Der Wert entspricht der Differenz zwischen dem regulären Preis und dem gedeckelten Preis von 12 Cent pro Kilowattstunde. Wenn der Versorger regulär 20 Cent pro Kilowattstunde in Rechnung stellt beträgt die Differenz zum Preisdeckel 8 Cent pro Kilowattstunde. Ein Verbrauch von 0,8 Kilowattstunden hat entsprechend einen Wert von 6,4 Cent pro Kilowattstunde. Für eine Kilowattstunde Mehrverbrauch in 2022 winkt also eine Ersparnis in Höhe von 6,4 Cent im Folgejahr, so dass genau das der Break-Even-Preis ist. Wenn das Gas in 2022 also weniger kostet als 6,4 Cent pro Kilowattstunde ist Mehrverbrauch mit einer Kostensenkung verbunden! Zugegeben, das dürfte bei den wenigsten Verbrauchern zutreffen. Ein höherer regulärer Preis in 2023 führt rechnerisch zu einem Absinken der Vorteilhaftigkeitsschwelle. Bei einem regulären Preis von 25 Cent pro Kilowattstunde sinkt der Break-Even-Preis für lohnenswerten Mehrverbrauch auf 80% x (25 – 12) = 10,4 Cent pro Kilowattstunde.
Beim Strom ist der Rechenweg der gleiche: der „Wert“ einer Kilowattstunde Mehrverbrauch in 2022 entspricht 80% der Differenz zum Preisdeckel in 2023. Wenn der Versorger 2023 80 Cent pro Kilowattstunde in Rechnung stellt hat eine Kilowattstunde Mehrverbrauch in 2022 einen Wert von 80% x (80-40) = 32 Cent pro Kilowattstunde. Auch dieser Break-Even-Preis dürfte wohl nur selten erreicht werden.
Es wird also wohl nur wenige Fälle geben, in denen es sich lohnt, in 2022 bewusst mehr Strom bzw. Gas zu verbrauchen, um in 2023 von einem höheren Preisdeckel zu profitieren. Und das ist ja auch gut so, denn wir müssen Energie sparen, um durch diese Krise zu kommen! Trotzdem interessant, dass diese Konstellationen nicht gesetzlich ausgeschlossen wurden…