Bis zum Jahr 2045 muss Deutschland treibhausgasneutral werden, so sieht es das Klimaschutzgesetz vor. Die Nutzungsdauern für Erdgasnetze sind jedoch in der GasNEV klar vorgegeben: Rohrleitungen und Hausanschlüsse müssen über mindestens 45 Jahre abgeschrieben werden. Die Investitionen des Jahres 2023 wären also erst im Jahre 2068 vollständig refinanziert.
Auch wenn diesbezüglich noch keine Einigkeit besteht, ist durchaus zu befürchten, dass große Teile der heutigen Erdgasnetze nicht als Wasserstoffnetze weitergenutzt werden können und damit ab spätestens 2045 obsolet sein werden, denn die Wärmeerzeugung im Gebäudebereich wird zunehmend auf Fernwärme und Wärmepumpen umgestellt. Ein Verteilnetz mit Gas-Hausanschlüssen bis zu jedem Verbraucher wird nicht mehr in heutiger Granularität benötigt werden. Erste Gasnetzbetreiber haben daher begonnen, Rückstellungen für den Rückbau der Gasnetze zu bilden. Staatssekretär Patrick Graichen hatte im Mai 2022 Gasnetzbetreiber aufgefordert, Planungen für den Rückbau von Gasnetzen zu erstellen. Überlegungen zur Umrüstung der Gasnetze auf Wasserstoff bezeichnete er als „Träumerei“.
Hier passt also ein Gesetz nicht zum anderen: das Klimaschutzgesetz führt dazu, dass große Teile der Erdgasnetze ab spätestens 2045 nicht mehr genutzt werden können, in der GasNEV wird aber vollkommen realitätsfremd eine Restnutzungsdauer bis 2068 – und darüber hinaus – imaginiert. Gasnetzbetreiber haben daher keine Möglichkeit, ihre Anlagen innerhalb einer realistischen Nutzungsdauer in die Netznutzungsentgelte einzupreisen.
Die Bundesnetzagentur ist offenbar bereit, sich der Realität (ein wenig) zu stellen und hat einen Festlegungsentwurf veröffentlicht, nach dem Investitionen in Gasnetze bis 2045 vollständig abgeschrieben werden dürfen. Ein Schritt in die richtige Richtung. Irritierenderweise sind Bestandsanlagen von der Nutzungsdauerverkürzung ausgenommen. Das wird noch einmal nachzubessern sein, denn auch bestehende Rohrleitungen werden ab 2045 zu einem großen Teil nicht mehr nutzbar sein.
Die Verkürzung der Nutzungsdauern wird natürlich zu einem deutlichen Anstieg der Netznutzungsentgelte für Gas führen, denn höhere Kosten für Abschreibungen bedeuten höhere Netznutzungsentgelte. Dazu kommen die Kostensteigerungen durch die aktuelle Engpasslage im Erdgasbereich, die sich in gestiegenen Brennstoffkosten und neuen Umlagen für die Speicherbefüllung und den Ausgleich von Ersatzbeschaffungskosten niederschlagen. Es ist davon auszugehen, dass von Jahr zu Jahr weniger Gas verbraucht werden wird, so dass die Fixkosten der Gasverteilung und des Gasvertriebs jedes Jahr auf eine geringere Menge verteilt werden müssen. Das wiederum führt zu noch höheren Preisen und einer Verstärkung der Substitutionsbewegung – eine „Todesspirale“.
Es ist davon auszugehen, dass bereits lange vor 2045 Gas als Energieträger preislich so unattraktiv geworden ist, dass ein Weiterbetrieb der Verteilnetzinfrastruktur nicht wirtschaftlich ist. Die Verkürzung der Nutzungsdauern bis 2045 ist also eigentlich noch immer zu lang und es steht zu befürchten, dass die Gasnetzbetreiber irgendwann Sonderabschreibungen auf „stranded investments“ durchführen müssen.
Der Festlegungsentwurf der Bundesnetzagentur kann daher nur ein erster Schritt sein, die Transformation zu moderieren.