In Bezug auf die deutschen und europäischen Wirtschaftsbeziehungen zu China werden in letzterer Zeit häufig die Begriffe „De-Coupling“ bzw. „De-Risking“ verwendet. Beides soll zum Ausdruck bringen, dass man unabhängiger von China sein will, was Vor- und Nachteile hat. Grund genug, darüber zu diskutieren.
Der Begriff „De-Coupling“ müsste aber auch ein einem ganz anderen Zusammenhang kontrovers diskutiert werden, nämlich in Bezug auf die Abhängigkeit der Strompreise von fossilen Energieträgern wie Öl und Gas. Obwohl nämlich bereits ein ganz erheblicher Anteil der deutschen Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien gewonnen wird sind die Börsenstrompreise deutlich korreliert mit den Preisen für Kohle und Erdgas. Der Grund ist einfach: Strom gibt es in zwei Ausprägungen, nämlich als Arbeit und Leistung. Statistiken zum Anteil der Erneuerbaren an der deutschen Stromerzeugung zeigen immer nur die erzeugten Mengen, also die Arbeit. Was das angeht, sind wir schon einen erheblichen Teil des Weges gegangen – auch wenn die erste Hälfte des Weges die leichtere war. Was die gesicherte, witterungsunabhängige Leistung angeht muss man aber feststellen, dass wir zu fast 100% noch immer von fossilen Kraftwerken, insbesondere Kohle und Gaskraftwerken, abhängig sind.
Diese Kraftwerke bestimmen in Engpasssituationen wegen des Merit-Order-Prinzips den Marktpreis. Darüber hinaus führt die Unsicherheit in Bezug auf gesicherte Leistung zu Risikoaufschlägen bei den Marktpreisen für Strom: Risiko kostet eben immer etwas. Der Strompreis ergibt sich durch Angebot und Nachfrage, eine Angebotserhöhung bei gleichbleibender Nachfrage führt zu einer Preissenkung. Dieser ökonomischen Gesetzmäßigkeit folgend muss also das Stromangebot ausgeweitet werden.
Oberflächlich betrachtet werden derzeit Bemühungen in diese Richtung unternommen. Tatsächlich aber konzentriert sich derzeit vieles auf eine Erhöhung der Angebotsmenge, also der Arbeit. In Bezug auf die Bereitstellung gesicherter, witterungsunabhängiger Leistung aus erneuerbaren Quellen passiert im Moment leider nur wenig. Alle hoffen auf grünen Wasserstoff, den es aber noch nicht in ausreichender Menge gibt.
Was könnte man aber trotzdem jetzt schon tun, um das Angebot an gesicherter Leistung zu erhöhen? In einer freien Marktwirtschaft ist es nicht Aufgabe der Politik, Produktion zu steuern. Es ist aber ihre Aufgabe, Märkte zu definieren. Einen Markt für gesicherte Leistung gibt es im Moment nicht, die Börsen arbeiten nur auf Basis von Mengen („energy only“). Es bräuchte aber jetzt dringend einen Kapazitätsmarkt für gesicherte Leistung. Das wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach diskutiert, bisher aber immer verworfen. Je mehr Erneuerbare in den Energiemix drängen, desto wichtiger wird diese Frage. Vielleicht sogar wichtiger als die Frage, wieviel Autos wir nach China verkaufen…
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