Ist ein hoher Strompreis gut für die Energiewende? Oder wird die Transformation eher durch einen möglichst niedrigen Strompreis beschleunigt? Traditionell wird angenommen, dass ein hoher Strompreis nützlich ist, denn auf diese Weise wird die Stromnachfrage gedrückt. Solange ein Teil des Stroms aus fossilen Quellen stammt, wird damit automatisch auch der CO2-Ausstoß begrenzt: Strom sparen bedeutet CO2 sparen. Gleichzeitig verbessert ein hoher Strompreis die Rentabilität von Erneuerbaren-Erzeugungsanlagen: je mehr ich für meinen Strom bekomme, desto früher kommt meine Investition „ins Geld“. Und durch die niedrigen Grenzpreise von Erneuerbaren in Kombination mit der Merit Order brauche ich mir über die Wettbewerbsfähigkeit meines Angebots keine Gedanken machen. Das ist die eine Seite der Medaille.
Die andere Seite ist, dass ein hoher Strompreis die Wirtschaftlichkeit von Elektrifizierungsprozessen senkt. Konkret: je höher der Strompreis, desto unwirtschaftlicher sind Elektroautos und Wärmepumpen. Dabei kommt es natürlich im Wesentlichen auf das komparative Preisniveau an, also auf die Stromkosten im Vergleich zu den bisherigen fossilen Energieträgern Heizöl, Benzin, Diesel und Erdgas. Die (komparative) Wirtschaftlichkeit von Elektroautos und Wärmepumpen steigt daher, wenn die Kosten für Benzin und Erdgas steigen – solange der Strompreis nicht mitsteigt. Genau das tut er aber, denn ein Teil des Stroms wird noch immer aus fossilen Quellen gewonnen und dank der Merit Order setzen die Grenzkosten der fossilen Kraftwerke den Strompreis. Wird das Erdgas teurer, wird der Strom teurer. Steigt der CO2-Preis, steigt der Strompreis. Schachmatt.
Die Politik wird in den nächsten Jahren die Grundsatzfrage lösen müssen, ob die Energiewende durch hohe Strompreise oder durch niedrige Strompreise beschleunigt werden soll. Für beide Sichtweisen gibt es gute Argumente, wobei die Befürworter hoher Strompreise eher die Angebotsseite im Blick haben und die Befürworter niedriger Strompreise eher die Konsumenten. Kurioserweise sind das faktisch häufig die gleichen: der Nutzer einer Wärmepumpe (Konsument) ist häufig gleichzeitig Betreiber einer PV-Anlage auf dem Dach (Produzent). Und während die PV-Anlage sich bei hohen Strompreisen besser rentiert, gilt für die Wärmepumpe genau das Gegenteil…
Ein Teil des Dilemmas ließe sich lösen, wenn die Endkundenpreise, die nicht durch den Energiepreis determiniert sind, gesenkt würden. Das gilt beispielsweise für die Stromsteuer, die im Jahre 1999 unter dem Titel „Ökosteuer“ von der damaligen rot-grünen Regierung eingeführt worden war mit dem expliziten Ziel, Strom zu sparen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob für die derzeitige, befristete Senkung der Umsatzsteuer auf Erdgas nicht der falsche Energieträger gewählt worden ist. Wer Wärmepumpen fördern will, sollte die Strompreise senken…
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