Strom aus dem Ausland: Wie viel können wir wirklich importieren?

Könnten wir theoretisch im Notfall (Dunkelflaute und so) unseren gesamten Strombedarf importieren? Müssen wir denn unbedingt Reserven für alle Fälle haben? Es gibt doch das europäische #Verbundnetz. Gemeinsam sind wir stark, oder?

Keine Volkswirtschaft ist eine Insel. Egal ob es um Strom oder Kugelschreiber geht: wenn die Produktionskosten im Ausland günstiger sind, kann ein Import volkswirtschaftlich sinnvoll sein. Wir müssen also nicht unseren gesamten Strombedarf inländisch erzeugen, die Aufregung der Boulevard-Medien über die vermeintliche „Bedürftigkeit“ Deutschlands, weil wir im Ausland Strom kaufen, ist Quatsch.

Der EU-Binnenmarkt erstreckt sich auch auf Strom, es gibt also keine legislativen Handelsschranken, sprich Zölle. Aber es gibt die Macht des Faktischen: wo kein Weg ist, da hilft auch kein Wille. Jedenfalls kurzfristig nicht. Wir können deswegen nur so viel Strom importieren, wie die internationalen #Netzverbindungen hergeben. Also: was geben sie denn her?

Die Frage ist komplizierter als man denkt, denn es kommt nicht nur auf den Kabelquerschnitt der Koppelpunkte an. Es kann sein, dass der Strom physikalisch andere Wege nimmt als „gehandelt“. Ein Stromtransfer von Frankreich nach Deutschland kann zum Beispiel (ungeplant) über Belgien verlaufen, was das belgische Netz belasten würde.

Das wiederum könnte den belgischen Netzbetreiber dazu veranlassen, die Koppelkapazitäten zu drosseln, damit er seine Netzstabilität aufrechterhalten und die inländischen Transfers gewährleisten kann. Die EU hat das Problem erkannt und in der Verordnung 2019/943 festgelegt, dass die Verbindungskapazitäten nur unter bestimmten Bedingungen beschränkt werden dürfen und dass ab 2026 immer mindestens 70% der Kapazitäten verfügbar sein müssen.

Trotzdem sind die tatsächlichen, technisch nutzbaren Import- und Exportkapazitäten im europäischen Verbundnetz stets abhängig von der aktuellen Angebots- und Nachfragesituation, die sich viertelstündlich ändert. Die Frage nach den Transferkapazitäten muss also viertelstündlich neu beantwortet werden. Die dafür durchzuführende Berechnung muss länderübergreifend und lastflussabhängig erfolgen.

Die Ergebnisse dieser Berechnung sind online für jedermann abrufbar mit dem „Publication Tool“ des @JAO. Für 2024 (bis zum 11.12.) lag die maximale deutsche Importkapazität bei 21,2 Gigawatt. Minimal konnten 7,1 Gigawatt importiert werden, der Median lag bei 15,3 Gigawatt. Zum Vergleich: die deutsche Spitzenlast liegt bei 80 Gigawatt, die Minimallast beträgt 35 bis 40 Gigawatt und im Durchschnitt brauchen wir 60 Gigawatt.

Wir können also nicht unseren gesamten Bedarf importieren, dafür reichen die Leitungskapazitäten nicht aus. Wenn wir mal nicht genügend eigene Erzeugungskapazität haben (#Dunkelflaute?), könnte es Zeiten geben, in denen es knapp wird.

Die Lösung? Entweder die Verbindungsleitungen verstärken. Oder Reservekraftwerke bauen. Am besten beides. Der Binnenmarkt macht es uns jedenfalls leichter. Nutzen wir das doch!

Kommentar verfassen