Deutschland unterstützt die Ukraine bei der Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg mit Waffenlieferungen. Können wir den Ukrainern auch durch Stromexporte helfen? Immerhin ist das ukrainische Netz nach Beginn des Krieges in das europäische Verbundnetz integriert worden.
Die Ukraine hatte vor Beginn des Krieges 55 Gigawatt #Kraftwerkskapazitäten, davon 58% Kohle und Gaskraftwerke, 25% Kernkraft und 15% Erneuerbare. Durch den Krieg sind jedoch rund 50% der Kapazitäten nicht am Netz. Das größte Kernkraftwerk des Landes in Saporischschja beispielsweise, mit einer Erzeugungsleistung von 6 Gigawatt, wird praktisch seit Beginn des Konflikts von den Russen kontrolliert und steht den Ukrainern nicht mehr zur Verfügung. Auch andere Kraftwerke arbeiten nicht, weil sie von den Russen erobert oder zerstört worden sind.
Auch die Nachfrage ist gesunken, weil Millionen Menschen das Land verlassen haben und Industrieunternehmen die Produktion einstellen oder reduzieren mussten. Insgesamt werden 30-40% weniger Strom benötigt. Trotzdem besteht noch eine Erzeugungslücke. Es wird geschätzt, dass etwa 6 bis 7 Gigawatt Kapazität fehlen.
Das betrifft nicht nur Strom, denn viele Kraftwerke haben auch Wärme ausgekoppelt und in Fernwärmenetze eingespeist. Ein Ausfall von Fernwärmekapazitäten ist schwer zu kompensieren, weil die Stromnetze natürlich nicht darauf ausgelegt sind, massenhaft elektrische Ersatz-Wärmeerzeuger (wie Heizlüfter und Elektroradiatoren) zu versorgen. Unter dem russischen Angriff auf die Energieversorgung leidet daher in erster Linie die Zivilbevölkerung. Und der Winter steht vor der Tür…
Zur Linderung des Mangels wurde das ukrainische Stromnetz schon im März 2022 in das europäische Stromnetz eingebunden, während die Koppelung zum alten, sowjetischen Netz gekappt wurde. Damit sind ukrainische Versorger in der Lage, am europäischen Großhandel teilzunehmen und beispielsweise an den Strombörsen EPEX und EEX Geschäfte zu machen.
Allerdings sind die Koppelkapazitäten begrenzt: lediglich 1,7 Gigawatt können importiert werden. Der Export ist auf 0,5 Gigawatt beschränkt. Das reicht nicht ansatzweise, um die bestehenden Defizite zu kompensieren. Der Strompreis im ukrainischen Marktgebiet liegt deswegen aktuell bei etwa 130 Euro pro Megawattstunde und damit 30-40% höher als in Deutschland.
Zu den höheren Preisen kommen noch häufige Stromausfälle wegen Netzzusammenbrüchen.
Eine weitere Integration des Stromnetzes durch eine Erhöhung der Koppelkapazitäten zum europäischen Verbundnetz würde den Ukrainern helfen. Das ist seit März 2022 auch mehrfach geschehen, wenn auch in homöopathischen Dosen.
Eine stärkere #Koppelung würde der Ukraine weitere Importe ermöglichen, was zu einem Angleichen der Preisniveaus führt. Aus Sicht der #Ukraine würde es also billiger. Aus Sicht der Europäer dagegen teurer. Gleichzeitig könnten aber auch ukrainische Kernkraftwerke Dunkelflauten-Zeiträume überbrücken helfen.
Eine stärkere Integration ist Chance und Risiko zugleich…